Die Tarifpolitik stand 2021 doppelt im Fokus. Es galt, die Corona-Krise zu meistern und eine Lösung für die Arbeitszeit Ost zu finden. Beides gelang.
Für gewöhnlich reicht in der Tarifpolitik ein Großereignis pro Jahr. Einmal einen Verhandlungsmarathon durchstehen, einmal über Grundsätzliches diskutieren, einmal Lösungsansätze ausloten, einmal den Konsens im eigenen Lager finden – damit sind Arbeitgeber wie Gewerkschaft eigentlich ausgelastet.
2021 war es anders. Gleich zweimal stand die Tarifpolitik im Fokus des Geschehens – trotz der Herausforderungen durch Corona und mehrere Krisen. Beim ersten Mal ging es darum, eine Lösung in der turnusgemäßen Tarifrunde zu finden. Beim zweiten Mal stand die Zukunft der Arbeitszeit im Ostteil Berlins und in den neuen Bundesländern im Mittelpunkt.
Seit Jahren strebt die IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen hier eine Absenkung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden an. Die Betriebe haben einen solchen Schritt mit Verweis auf die Kosten aber immer abgelehnt.
2021 haben die Tarifpartner ein Ergebnis erreicht – und zwar in beiden Fragen. Die Beschäftigten bekommen mehr Geld, zugleich können die Tarifvertragsparteien nun auf Betriebsebene über eine Absenkung der Arbeitszeit verhandeln. Ein wichtiger Bestandteil dabei ist die Kompensation der dadurch steigenden Kosten.
Einkommensverbesserungen mit einem Volumen von vier Prozent – mit dieser Forderung war die IG Metall in die Tarifrunde Ende 2020 gestartet. Als „unerfüllbar“ bezeichnete VME-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck dieses Ansinnen. „Der Großteil unserer Firmen befindet sich in einer dramatischen Lage. Die Pandemie, der Konjunktureinbruch und die Transformation verlangen ihnen alles ab.“ Es gebe nichts zu verteilen, vielmehr gehe es um die Sicherung von Arbeitsplätzen.
In der ersten Verhandlungsrunde wenige Tage vor Weihnachten gab es mithin auch keine Annäherung der beiden Parteien. Daran änderte sich auch an den beiden folgenden Terminen im Januar und im Februar wenig. „Wir müssen den Unternehmen den Rücken freihalten, damit sie so viel Beschäftigung wie möglich sichern können. Das ist angesichts der Pandemie-Situation die entscheidende Herausforderung in dieser Tarifrunde“, sagte VME-Verhandlungsführer Stefan Moschko.
Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg
Eine Lösung für diese Frage wurde dann in Nordrhein-Westfalen gefunden. Am 30. März einigten sich die Tarifpartner dort auf einen Pilotabschluss. Kern der Einigung: Die Beschäftigten bekommen eine einmalige Corona-Beihilfe von 500 Euro sowie eine neue Sonderzahlung, das Transformationsgeld. Dabei konnten die Arbeitgeber eine Differenzierung durchsetzen – Betriebe in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage müssen dieses zusätzliche Geld nicht zahlen. Arbeitgeber und Gewerkschaft einigten sich auf eine Laufzeit von 21 Monaten bis zum 30. September 2022.
Der Vorteil aus Sicht der Betriebe: Nach 2020 mussten sie auch 2021 keine Erhöhung der Tabellenentgelte schultern.
Der VME wollte diesen Abschluss für Berlin und Brandenburg übernehmen – doch dagegen sperrte sich die IG Metall. Sie strebte an, auch noch das Thema Arbeitszeit Ost zu regeln. Dafür veranstaltete sie im April 24-Stunden-Warnstreiks, verbunden mit der Forderung nach einem tariflichen Angleichungsgeld. Nach VME-Berechnungen hätte dies ein Lohnplus von acht Prozent bedeutet. Für den Verband war dies „völlig unangemessen“. „Das führt in den Unternehmen zu weiteren wirtschaftlichen Schäden in einer ohnehin immer schwierigeren Lage“, merkte Verhandlungsführer Moschko an.
Erst nach mehreren intensiven Verhandlungsrunden und einem zähen Ringen gelang ein Durchbruch. Moschko und die IG-Metall-Bezirksleiterin Birgit Dietze einigten sich darauf, die Einigung aus Nordrhein-Westfalen zu übernehmen. Zudem verpflichteten sich beide Seiten darauf, bis Ende Juni über eine Arbeitszeit-Regelung für den Ostteil Berlins und für Brandenburg zu verhandeln.
IG-Metall-Bezirksleiterin Birgit Dietze und VME-Verhandlungsführer Stefan Moschko
Genauso kam es. Am 28. Juni meldeten die Verhandlungsführer Vollzug. „Uns ist ein echter Durchbruch gelungen, mit dem die jahrelange Auseinandersetzung um die Angleichung der Arbeitsbedingungen befriedet wird“, sagte Moschko.
Im Kern bedeutet das: Die Betriebsparteien können auf freiwilliger Basis die Arbeitszeit und die damit verbundene Kostenkompensation im Rahmen des Flächentarifvertrags selbst regeln. Damit haben sie die Möglichkeit, Regelungen zu finden, die genau zur individuellen Lage des Betriebs passen. Damit befrieden die Tarifpartner einen lange und intensiv geführten Konflikt.
Mittlerweile werden die neuen Regelungen in Berlin und in Brandenburg von zahlreichen Unternehmen genutzt, etwa in der Autoindustrie. Oft verständigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine schrittweise Reduzierung der Stunden. Dieser Prozess läuft dann über mehrere Jahre. „Mit unserer Vereinbarung sind wir auf dem richtigen Weg. Uns war vor allem die Flexibilität wichtig. Beide Seiten können mit der Einigung leben“, sagt VME-Verhandlungsführer Moschko
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