Im Rückblick hat das Jahr 2022 eigentlich erst am 24. Februar begonnen. Der Angriff Russlands auf die Ukraine war nicht nur ein barbarischer Akt. Er ließ auch viele Pläne und Prognosen in der Wirtschaft Makulatur werden. Und er hat gezeigt, wie schnell sich Prioritäten verschieben können.
In einer ersten Reaktion verurteilte VME-Vorstansvorsitzender Stefan Moschko den Angriff Russlands auf das Schärfste. Moskau ziele auf die Abschaffung von Freiheit und Demokratie in der Ukraine. „Den Menschen in der Ukraine gilt unsere volle Solidarität“, erklärte er. Nötig sei eine schnellstmögliche und wirkungsvolle Reaktion auf den Rechtsbruch.
Schon wenige Tage nach dem Angriff beschloss die internationale Gemeinschaft weitere Sanktionen gegen Russland. Neun Gesetzespakete kamen im Lauf des Jahres zusammen und beschränkten den Austausch von Waren und Dienstleistungen. Viele Hightech-Produkte und Dual-Use-Güter dürfen seitdem nicht mehr gehandelt werden, russische Banken und Privatpersonen sind vom Zahlungsverkehr ausgeschlossen. Rohstoffe wie Gas und später Öl fließen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt nach Europa.
Für die Unternehmen in Berlin und Brandenburg hatte das weit reichende Folgen. Sie halten bis heute an. Vor allem das Rohstoff-Embargo ließ den Handel mit Russland einbrechen und trieb die Energiepreise nach oben. Viele andere Lieferketten rissen. Die Folge: Das wirtschaftliche Klima in Deutschland kühlte sich ab. Die Angst vor einer tiefen Rezession und vor einer De-Industrialisierung war groß.
Um sowohl Mitgliedsunternehmen wie auch Geflüchtete rasch zu unterstützen, rief die Wirtschaft Hilfsangebote ins Leben. Auf Bundesebene initiierten die Spitzenverbände BDI, BDA, DIHK und ZDH zusammen mit dem Ost-Ausschuss die Aktion #Wirtschafthilft. Auf regionaler Ebene entstand die Initiative berliner-wirtschaft-hilft.de. Die UVB war und ist mit von der Partie. „Die Unternehmen in Berlin kümmern sich intensiv darum, den Geflüchteten den Start in Deutschland zu erleichtern“, sagte VME-Vorstansvorsitzender Moschko. „Es gilt, in dieser schwierigen Zeit zusammenzustehen.“
Mit zusätzlichen Deutschkursen half Berliner Wirtschaft, die Integration von Geflüchteten aus der Ukraine zu beschleunigen. Die Spitzenorganisationen stellten Geld bereit, um die Angebote zu finanzieren. Sie sollen zeitnah beginnen.
In der Krisenzeit waren schnelle und verlässliche Informationen bei den Unternehmen sehr gefragt. Gleich zu Beginn des Konflikts hatten die Unternehmensverbände auf ihren Web-Seiten umfangreiche Informationen zur Versorgungssituation, zur Gasmangellage, zur Gas- und Strompreisbremse und zu den staatlichen Liquiditätshilfen für Unternehmen zusammengestellt. Auch für die vielen tausend Flüchtlinge engagierte sich die Wirtschaft. Sie leistete Hilfestellung bei der Integration in den Arbeitsmarkt, etwa mit Webinaren.
Zudem initiierte die UVB zusammen mit anderen Verbänden und Kammern das Bündnis „Berliner Wirtschaft spart Energie“. Auf einer eigenen Microsite finden sich Checklisten zum Energiesparen, zu Fördermöglichkeiten und zu Energiesparberatungen und –netzwerken. Geworben wird zudem für einen niedrigeren Energieverbrauch der Wirtschaft. Die Wirtschaft will im Vergleich zum Vorjahr mindestens zehn Prozent weniger Energie verbrauchen.
Parallel dazu rückten die Energiepreise immer weiter ins Zentrum der Debatte, denn es wurde deutlich, dass der Krieg nicht in wenigen Tagen oder Wochen vorbei sein würde. Vor allem das Thema Erdgas sorgte für Diskussionsstoff. In der Metall- und Elektroindustrie ergab eine Umfrage des VME, dass jedes neunte Unternehmen durch den immensen Preisanstieg bei Strom und Gas seine Existenz in Gefahr sieht.
Zudem stand immer wieder im Raum, ob Russland nicht eines Tages die Gas-Lieferungen an Deutschland stark oder ganz zurückfahren wird. Am 30. März rief das Bundeswirtschaftsministerium die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas aus, die erste von drei Krisenstufen. Am 23. Juni folgte die zweite, die Alarmstufe. Im September sanken die Lieferungen vollständig auf null, nachdem Russland zunächst seine Lieferungen gedrosselt hatte und schließlich die Nordstream-Pipelines durch einen Anschlag zerstört worden waren.
Die Unternehmensverbände waren seit Beginn der Energiekrise im engen Austausch mit dem regionalen Gasnetzbetreiber, der NBB Netzgesellschaft. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie die Energieversorgung der Unternehmen gesichert werden kann, sollte nicht mehr genügend Gas zur Verfügung stehen. Die Wirtschaft fürchtete massive wirtschaftliche Schäden, hätte sie im Ernstfall doch noch vor den privaten Haushalten auf Lieferungen verzichten müssen.
Dazu kam es glücklicherweise nicht. Dem Bund und den Unternehmen der Energiewirtschaft gelang es, Gas-Lieferungen aus anderen Förderländern zu vereinbaren. Zudem wurden an der deutschen Küste Terminals für den Import von Flüssiggas errichtet. Vor dem Krieg hatte Deutschland 52 Prozent seines Gases aus Russland bezogen, schon im September 2022 ist dieser Wert auf null gesunken.
Und die Deutschen sparten Gas. 20 Prozent weniger Verbrauch seien nötig, gab die Bundesnetzagentur als Ziel aus. Als erstes regiert die Industrie. Viele Großabnehmer stellen Anlagen von Gas auf Öl um. Energieintensive Branchen wie Chemie, Metall, Keramik oder Papier fuhren aber auch ihre Produktion zurück.
Ein weiterer Aspekt der Energiepreis-Debatte war die Sorge um die PCK-Raffinerie in Schwedt. Sie ist für den allergrößten Teil der Brennstoff- und Bitumen-Versorgung Ostdeutschlands zuständig. Über viele Jahre wurde sie per Pipeline mit russischem Öl beliefert. Mittlerweile hat der Bund per Treuhandschaft die Kontrolle bei PCK übernommen. Christian Amsinck bezeichnete die Raffinerie als „energie- und industriepolitisch unverzichtbar für Nordostdeutschland und Westpolen. Zusätzlich müsse nun der Strukturwandel in der Region angegangen werden. „Eine Transformation in Richtung Klimaneutralität benötigt Jahre, wie das Beispiel Lausitz zeigt.“
Die Konjunktur erwies sich trotz der Belastungen durch Inflation, Lieferketten-Probleme und Energieknappheit erstaunlich robust. In Berlin wuchs die Wirtschaftsleistung um 4,9 Prozent, das war bundesweit der zweitstärkste Wert. Brandenburg kam mit 3,3 Prozent Zuwachs auf Rang vier und legte damit die größte Dynamik unter den Flächenstaaten hin. Hier half auch der Produktionsstart des neuen Tesla-Werks Anfang 2022. Der bundesweite Schnitt lag bei 1,8 Prozent.
Das Wachstum in der Hauptstadtregion ging vor allem darauf zurück, dass die Verbraucher ihre während der Pandemie angehäuften Ersparnisse für den Konsum ausgaben. Die Industrie dagegen hatte mit einem schwierigen Umfeld zu kämpfen, ebenso die Bauwirtschaft. Die Branche Information und Kommunikation setzte indes ihren Aufwärtstrend fort.
Neue Herausforderungen für die Unternehmen
Ein Abschluss in schwieriger Zeit
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