Selbst langgediente Tarifexperten erinnern sich kaum an eine so lange Tarifrunde. Sie begann im Oktober 2020 – und ging erst Ende Juni 2021 zu Ende. In dieser Zeit sind dem VME wichtige Erfolge gelungen – zum einen der Tarifabschluss mit der IG Metall, zum anderen die Verständigung mit der IG Metall zur Angleichung der Arbeitsbedingungen.
Vor allem die Einigung über die wöchentliche Arbeitszeit in Brandenburg und im Ostteil Berlins ist dabei ein Meilenstein. Nachdem es in der regulären Tarifrunde darüber keine Einigung mit der Gewerkschaft gegeben hatte, vereinbarten der VME und der Schwesterverband aus Sachsen, der VSME, mit der IG Metall, das Thema bis Ende Juni lösen zu wollen. Klar war von Anfang an, dass es um freiwillige Lösungen auf Betriebsebene gehen sollte, bei denen vor Ort über die zukünftigen Modalitäten entschieden wird.
Genau so kam es dann auch: „Das ist ein echter Durchbruch“, sagte VME-Verhandlungsführer Stefan Moschko nach der Einigung. „Die Betriebe erhalten die Möglichkeit, im Rahmen des Flächentarifvertrages auf ihren Bedarf hin zugeschnittene Arbeitszeitregelungen zu vereinbaren, die für die Arbeitgeber und die Beschäftigten Planungssicherheit bei der Arbeitszeit schaffen.“
Das Tarifergebnis sieht vor, dass die Betriebsparteien die Arbeitszeit und die damit verbundene Kostenkompensation selbst regeln können. Zudem werden weitere dauerhafte Flexibilisierungsmöglichkeiten geschaffen. Damit sind vielfältige betriebliche Lösungen möglich.
„Damit wird die jahrelange Auseinandersetzung um die Angleichung der Arbeitsbedingungen befriedet“, sagte Moschko. „Diese Einigung zeigt, dass auch in der Fläche genügend Flexibilität möglich ist, wenn sich beide Seiten dazu bekennen“, sagte Moschko. Zugleich sei eine Stärkung des Flächentarifvertrags gelungen. „Nur wenn die Betriebe genügend Spielraum für die Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen haben, können sie auf Dauer erfolgreich sein.“
Während der Tarifrunde waren die Tarifvertragsparteien zuvor nicht auf eine Linie gekommen. Zwar lag schon seit Ende März ein Pilotabschluss aus Nordrhein-Westfalen auf dem Tisch. Doch erst Mitte Mai gab es auch eine Einigung in Berlin und Brandenburg.
Die Ursache war die Forderung der Gewerkschaft nach einem Tariflichen Angleichungsgeld, mit dem die Arbeitsbedingungen angeglichen werden sollten. Dies war jedoch auf die strikte Ablehnung durch die Arbeitgeber gestoßen, trotz wochenlanger Warnstreiks in zahlreichen Betrieben. Sie sorgten sich um die Wettbewerbsfähigkeit der Branche angesichts eines drohenden Kostenschubs durch die Zusatzforderung. So blieb es bei einer Verhandlungsverpflichtung über das strittige Thema Angleichung.
Die Übernahme des Pilotabschlusses auch in Berlin und Brandenburg bezeichnete VME-Verhandler Moschko als „fair und vernünftig“. Dies helfe auf dem Weg durch die Krise „Zentral ist für uns, dass unsere Unternehmen nach 2020 nun auch 2021 keine Erhöhung der Tabellenentgelte schultern müssen. Zudem bekommen sie ein beträchtliches Maß an Planungssicherheit.“ Der Tarifvertrag ist bis Ende September 2022 gültig.
In jedem Fall war diese Tarifrunde aber anders als bislang. Gespräche mit den Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitnehmer waren entweder nur digital oder in kleiner Runde möglich.
Für die Beschäftigten der Branche in Berlin und Brandenburg ist eine einmalige Corona-Beihilfe von 500 Euro vorgesehen. Auszubildende bekommen 300 Euro. Mit dem Transformationsgeld wird eine neue Einmalzahlung eingeführt, die jeweils im Februar 2022 und im Februar 2023 fällig ist. Erstmals ist zudem mit dem nun übernommenen Pilotabschluss für krisenbelastete Betriebe eine automatische Differenzierung vereinbart worden. Dabei wird die Zahlung des tariflichen Zusatzgelds (B) an betriebliche Kennzahlen geknüpft. Darüber hinaus enthält der neue Tarifvertrag optionale Regelungen für den Umgang mit dem Strukturwandel.
Die Tabellenentgelte werden nicht erhöht. Die Beschäftigten erhalten eine Corona-Beihilfe von 500 Euro. Zudem vereinbart wurde das neue Transformationsgeld: Im Februar 2022 werden 18,4 Prozent eines Monatsgehalts gezahlt, im Februar 2023 noch einmal 27,6 Prozent. Der Tarifvertrag gilt rückwirkend ab Januar 2021 und endet nach 21 Monaten am 30. September 2022.
Das tarifliche Zusatzgeld B (T-ZUG B) wird 2021 im Oktober fällig und kann je nach Unternehmensergebnis verschoben werden oder entfallen.
Schon bislang war es möglich, die Arbeitszeit per Betriebsvereinbarung bis zu ein Jahr lang abzusenken. Neu ist, dass der Zeitraum verlängert werden kann. Bei einer Verkürzung zwischen 13 und 24 Monaten Dauer zahlt der Arbeitgeber allerdings einen Aufschlag von 25 Prozent, wenn die Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden (Tarifgebiet I) oder 35 Stunden (Tarifgebiet II) sinkt. Soll die Arbeitszeitabsenkung 25 Monate oder länger andauern, erhalten die Beschäftigten einen Zuschlag von 25 Prozent bei 33 Stunden (36 Stunden) Wochenarbeitszeit. Bei einer Absenkung auf 32 Stunden (35 Stunden) werden 50 Prozent Zuschlag fällig.
Die Betriebsparteien können Transformationsprozesse begleiten. Dabei können sie die Lage analysieren und Gespräche über die Zukunft führen, wenn beide Seiten zustimmen. Am Ende entscheidet stets die Arbeitgeberseite.
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